#753 Kriegt der Staat die dicken Fische nicht? Cum-Ex und das Auslieferungsverfahren gegen Hanno Berger in der Schweiz
In dieser Folge geht es um einen der grössten Wirtschaftsstrafprozesse Europas: den Cum-Ex-Skandal.
Gregor Münch ordnet für Duri Bonin die strafrechtlichen, rechtshilferechtlichen und politischen Dimensionen dieses Komplexes ein – mit besonderem Fokus auf die Rolle der Schweiz als Finanzplatz und im Rechtshilfe- und Auslieferungsrecht.
Ausgangspunkt ist die Arbeit der deutschen Staatsanwältin Anne Brorhilker, die die strafrechtliche Aufarbeitung der Cum-Ex-Geschäfte jahrelang massgeblich vorangetrieben hat und scharf kritisiert, dass sich finanzstarke Beschuldigte mithilfe von Einstellungen und Geldauflagen faktisch aus Strafverfahren «freikaufen» können.
Ein zentrales Thema der Episode ist der Fall Hanno Berger, einer der Schlüsselfiguren der Cum-Ex-Geschäfte, der sich lange Zeit in der Schweiz aufhielt und schliesslich an Deutschland ausgeliefert wurde. Dabei diskutieren Gregi und Duri unter anderem:
- wie Cum-Ex-Geschäfte funktionieren und weshalb sie als systematischer Steuerbetrug eingeordnet werden
- weshalb Fiskaldelikte traditionell nicht auslieferungsfähig sind – und wo diese Grenze aufweicht
- die Bedeutung der doppelten Strafbarkeit im schweizerischen Rechtshilferecht
- die Rolle der Schweiz als Transitstaat für Geldflüsse und als Standort einzelner Akteure
- die Rechtsprechung des Bundesstrafgerichts und des Bundesgerichts im Auslieferungsverfahren
- die Frage der Haft-, Reise- und Verhandlungsfähigkeit aus Sicht der Verteidigung
- warum das Bundesgericht den Fall nicht als «besonders bedeutend» qualifiziert hat
Am Rande wird auch die politische Dimension angesprochen, unter anderem die Debatte um den damaligen Hamburger Bürgermeister und späteren deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz sowie den Einfluss von Lobbying im Finanz- und Bankenbereich.
Die Folge verbindet Wirtschaftsstrafrecht, Strafverteidigung und internationale Rechtshilfe – und zeigt exemplarisch, wie komplex, zermürbend und politisch aufgeladen grosse Finanzstrafverfahren (auch für die Schweiz) sein können.
Zum Schluss schenkt Gregor Duri das Buch «Cum/Ex, Milliarden und Moral» von Anne Brorhilker mit dem Hinweis, man müsse als Strafverteidiger auch die Perspektive der Strafverfolgung kennen. Duri spricht hörbar erfreut über Sympathie und Ambivalenz in Wirtschaftsstrafverfahren, die Rolle der Privatklägerschaft und darüber, weshalb Durchhaltewillen und Präzision in solchen Verfahren entscheidend sind.
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